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Kolumne
constellr: Wie aus einer Technologie eine Marke wurde
Rosa ist Gründerin von DEFEM, einer Agentur für strategisches Storytelling, die Deeptech-, Impact- und Spacetech-Unternehmen dabei unterstützt, technische Produkte verständlich zu kommunizieren und kommerziell umsetzbar zu machen.

Ihre Arbeit verbindet technologische Tiefe mit kultureller Relevanz mit dem Ziel, nicht nur Märkte zu erschließen, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung mitzugestalten. Mit einem Master der LSE zur Rolle von Emotionen in gesellschaftlichen Dynamiken und Erfahrung darin, Marken aufzubauen, Strategien zu entwickeln und Kampagnen umzusetzen, arbeitet Rosa an der Schnittstelle von Technologie, Kommunikation und Kultur.

Episode
Date
July 4, 2025
Autor:in
Rosa Schmidt
Duration
7 Min

Episode

22

constellr: Wie aus einer Technologie eine Marke wurde

In meinem letzten Beitrag ging es um den oft unterschätzten Einfluss von Emotion in der Wissenschaft. Was passiert also, wenn man mit einem kleinen, hochspezialisierten Team beginnt und innerhalb von wenigen Jahren eine skalierbare, strategisch geführte Markenkommunikation aufbaut?

Diese Frage lässt sich am besten anhand eines Projekts beantworten, das mich persönlich geprägt hat: constellr.
Als ich das Startup 2020 das erste Mal kennengelernt habe, sah ich vier Gründer:innen vor mir, die eine große Vision hatten. Eine, die nicht nur ihr eigenes Leben auf den Kopf stellen würde, sondern, wenn erfolgreich, die ganze Welt verändern kann.

Mit bislang unzugänglichen Satellitendaten neue Perspektiven für Märkte und Menschen schaffen – datenbasiert, demokratisch, nachhaltig. 

Quelle: SpaceX, 2025: constellrs erster Satellit Skybee-1 an Bord der SpaceX Transporter-12-Mission im Januar 2025.
Von Forschung zu Markt, und warum Kommunikation den Unterschied macht

constellr denkt Erdbeobachtung neu: Unsere eigenen Satelliten liefern keine Bilder, sondern hochauflösende, absolut kalibrierte Temperaturmessungen: standardisiert, skalierbar und wissenschaftlich abgesichert.

Die Anwendungsbereiche reichen von urbaner Hitzeüberwachung (Urban Heat Islands) über smartes Wassermanagement in der Landwirtschaft bis zur Überwachung von Industrieanlagen.

Aber warum das alles? 

Durch den Klimawandel überhitzt die Welt und Gebäude, Rohstoffe, aber vor allem wir Menschen werden angreifbar durch die unsichtbare Kraft der Erde.
Ein neues Zeitalter beginnt. Eines, in dem wir unsere Ressourcen wie z. B. Wasser transparenter und besser managen müssen, aber auch verstehen, worauf es wirklich ankommt: Verantwortungsbewusstsein.

Die Herausforderung?
Eine solche Technologie ist erklärungsbedürftig, abstrakt und wird oft nur von wenigen wirklich verstanden.

Doch um Wirkung zu entfalten, braucht es mehr als ein gutes Produkt. Es geht um folgendes:

  • ein gemeinsames internes Verständnis: Was können diese Daten ermöglichen?
  • eine skalierbare Content-Struktur: Wie erklären wir unser Why – und bauen Vertrauen in ein komplexes Produkt auf?
  • die Fähigkeit, verschiedene Zielgruppen in ihrer Sprache zu erreichen: Wie bleibt unser Produkt truly global und trotzdem für alle zugänglich?
Die Ausgangslage

Als wir bei constellr starteten, war die externe Präsenz durchaus da: durch Events, Panels, Pitch-Sessions.

Aber:

  • Inhalte waren technisch geprägt
  • die Ansprache eng auf Expert:innen zugeschnitten
  • und es fehlte ein strategischer roter Faden, um auch kommerzielle Märkte abzuholen

Die Folge:
Kunden:innengespräche drehten sich primär darum, was das Produkt kann (z.B. Temperaturdaten flächendeckend erfassen) - nicht, welche konkreten Probleme es löst (z.B. Man sieht frühzeitig, wo urbane Überhitzung droht und kann dementsprechend priorisieren). Das Marktinteresse war da, aber die hundertprozentige Überzeugung, das Produkt zu kaufen, noch nicht.

Der Aufbau: Markenentwicklung als systemischer Prozess
Schritt 1: Gemeinsame Sprache schaffen

Wir starteten mit einer regelmäßigen Thought-Leadership-Serie, die es ermöglichte, intern auf denselben Nenner zu kommen:

  • Was können wir eigentlich genau?
  • Ist unsere Sprache technisch korrekt, aber auch verständlich?
  • Können wir konsistent auftreten, egal ob im Pitch, im Artikel oder auf LinkedIn?

Es ging darum, ein resilientes Ökosystem für alle Stakeholder aufzubauen, um in jeder Situation kommunikativ anpassungsfähig zu bleiben.

Schritt 2: Das Branding neu denken

Branding bedeutet: langfristig zu denken.
Worum geht es hier wirklich? Warum arbeiten wir an diesen Produkten? Was ist unser Why/Warum?

Es geht nicht nur darum, Daten zu erheben oder ein Produkt mit innovativen Features zu zeigen, sondern darum, den Sinn und die Intention hinter dem Ganzen sichtbar zu machen.

Schritt 3: Stakeholder-Mapping (dt. Interessengruppen-Mapping)

Wir haben analysiert, welche Stakeholder wirklich relevant sind; in Medien, Wirtschaft, Politik und wie man sie gezielt, aber glaubwürdig erreicht. Dabei ging es nie um Masse, sondern um Anpassung. Die richtigen Inhalte für die richtigen Menschen, im richtigen Moment. Wie können wir effizient zusammenarbeiten, um medial stark aufzutreten und unsere Netzwerke sinnvoll zu erweitern?

Das Ergebnis: Mehr als nur Wachstum, ein Netzwerk

LinkedIn-Wachstum: Von 5.000 auf 14.000 Follower – rein organisch. Nicht durch Paid Campaigns, sondern durch ein klar kuratiertes, intern abgestimmtes Content-System.

Höhere Relevanz in der Außenwirkung: Heute sprechen nicht nur EO-Fachleute (dt. Erdbeobachtung) über constellr, sondern auch Investor:innen, Magazine wie Forbes oder DIE ZEIT, Organisationen wie das World Economic Forum und politische Entscheider:innen.

Strukturelle Klarheit im Team: Ein Nebeneffekt, den viele unterschätzen: Durch das neue Kommunikationssystem entstand auch intern mehr Klarheit, Kohärenz und Austausch zwischen Tech, Sales und Leadership.

Eigene Kommunikationsökosysteme aufbauen: Wie z.B. constellrs Knowledge Centre. Regelmäßige Artikel und visuelle Formate, etwa mit echten Satellitenbildern von SkyBee-1, helfen, komplexe Fragen besser zu vermitteln und Vertrauen aufzubauen.

Das heißt über den Tellerrand hinausschauen: Warum Kommunikation mehr ist als Sichtbarkeit

Dass constellr heute als Marke nicht nur sichtbar, sondern anschlussfähig ist, liegt an der Art, wie Kommunikation teamübergreifend gelebt wird. Nicht top-down, sondern entlang der besten Idee. Im Mittelpunkt steht nicht Hierarchie, sondern die Story, die trägt.

Max, CEO und Mitgründer, spielt dabei eine zentrale Rolle: Er bringt eine komplexe Technologie auf den Punkt – und macht eine ambitionierte Vision nachvollziehbar. Gerade im B2B- und B2G-Bereich reicht Sichtbarkeit allein nicht aus. Was zählt, ist das Zusammenspiel aus Beziehungsarbeit und gezielter Kommunikation, strategisch geführt.

Nur wenn beides zusammenkommt, kann Markenwachstum nachhaltig entstehen.
Denn constellr entwickelt nicht einfach ein Produkt, sondern gestaltet gemeinsam mit einem Umfeld aus Forschung, Industrie, Politik und Technologie einen neuen Markt.

Quelle: constellr (2025)

Das Bild ist eine beispielhafte Darstellung von Thermaldaten aus den Jahren 2021 (links) und 2025 (rechts), erhoben durch Satellitensysteme mit unterschiedlicher Auflösung. Die Abbildungen zeigen keinen wissenschaftlich repräsentativen Datensatz, sondern veranschaulichen exemplarisch die technische Entwicklung und den gestalterischen Wandel in constellrs Datenaufbereitung und Markenkommunikation über die letzten Jahre.

Was andere daraus lernen können

Was bei constellr funktioniert hat, ist übertragbar nicht in der Form, aber in der Methode. Markenaufbau im Deep Tech-Bereich ist kein kreatives Extra. Es ist ein systemischer, strategischer Prozess und sollte von Anfang an als solcher gedacht werden.

  • Keine Kampagne ohne Plan, sondern eine klare Kadenz, um zu lernen und zu testen
  • Keine kosmetische Marke, sondern funktionale Kommunikation, die Stakeholder abholt, nicht nur unterhält
  • Lautstärke und Präsenz sind, wenn überhaupt, nur ein Bruchteil von Leadership. Dieser Teil bekommt Relevanz, wenn alles andere stimmt.

Wer wahrgenommen werden will, muss nicht lauter werden.
Sondern klarer.