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Kolumne
Die Unsichtbare - Performance im Schatten

Romy ist Ex-Tennisprofi und hat mit ihrem Team 2024 die Weltmeisterschaft gewonnen. Mit ihrer Geschichte erhielt sie 2023 die Auszeichnung Vize-Miss Germany. Seit einer gesundheitlichen Zäsur bringt sie ihre Erfahrungen aus dem Hochleistungssport sowie ihre akademische Expertise in Leadership und Kommunikation in Unternehmen ein. Ihre Mission ist: Performance Mindset für alle greifbar machen.

Episode
Date
May 29, 2025
Autor:in
Romy Kölzer
Duration
8 Min

Episode

19

Die Unsichtbare - Performance im Schatten

Es gibt Tausende von Talenten, die so hart schuften wie Champions – nur eben ohne Scheinwerferlicht. Ich war eine davon.

Ein Moment, der nachklingt

Zu Anfang würde ich euch gerne von einem kurzen Moment erzählen, der letztens viel in mir ausgelöst hat. Ich saß vor dem Fernseher und sehe, wie sich einer der größten Tennisspieler der Geschichte verabschiedet – würdevoll, unter Applaus, mit voller Arena. Ein Gänsehautmoment für viele. Auch für mich. Er war ein Vorbild für mich, on und off court.

Ich saß also vor dem TV, tief bewegt und plötzlich war da dieses alte Ziehen im Bauch. Eine Mischung aus Wehmut und Stolz.Denn ich war nie dort oben. Ich war nie die Nr. 1 was auch vollkommen okay war, weil mein Ziel ein ganz anderes war: Top 100 der Welt. Auch das habe ich nicht geschafft. Meine Realität: Rang 395. Versteht mich nicht falsch: Das ist voll das Achievement. Ich bin auch stolz darauf. Aber interessiert es wen? Bin ich in Erinnerung geblieben? Nein.

Ich habe auf vielen internationalen Tennisturnieren Preisgelder bekommen, die oft nicht mal den Flug deckten. Anstatt den Spot im Players Hotel habe ich ein günstigeres Airbnb-Zimmer genommen, 30 Minuten Fußweg vom Court entfernt. Keine Recovery in der Business Class, sondern Reihe 32E in der Economy und der Rückflug war oft begleitet von einer Niederlage. Denn die hatte man fast in jeder Turnierwoche. Außer man schafft es, jede Woche zu performen und alle 30 Turniere zu gewinnen, die man im Jahr so gespielt hat. Das hat niemand geschafft.

Ihr merkt: Ich habe alles gegeben. Gekämpft, geopfert und gelebt für den Sport. Mein ganzes Leben darauf ausgelegt, erfolgreich zu sein. Auf den Durchbruch gewartet. Der kam auch, aber zu spät. Ich blieb für viele unsichtbar und bin auch nicht mehr in den Köpfen der Menschen.

So wie viele andere Athlet:innen, Musiker:innen, Künstler:innen, Business-Ideen und deren Gründer:innen, die im Schatten alles investieren und dann irgendwann mit müdem Herzen und einem leeren Konto einen neuen Weg suchen.

Vom Sport zur Selbstständigkeit

Diesen habe ich dann auch 2021 gefunden. Ich bin Coach geworden. Nach mehreren Rückschlägen, von einem positiven Corona-Test in Griechenland über eine Verletzung bis hin zur Diagnose, dass ich unter einer Autoimmunerkrankung leide, habe ich entschieden, den Schläger an den Nagel zu hängen. Ich habe mich dazu entschieden, eine Business-Coaching-Ausbildung zu machen. Ich habe angefangen, mit Unternehmer:innen zu arbeiten, an ihrem Business und an sich selbst. 2023 habe ich dann eine neue Richtung eingeschlagen, weil ich noch näher mit den Menschen in Unternehmen arbeiten wollte.

Performance Mindset ist das, was mich immer angetrieben hat und was mich auch heute noch antreibt. Ich will Performance greifbar machen. 

In der Arbeitswelt habe ich Ähnliches festgestellt wie im Sport: Nicht jede Höchstleistung wird gesehen.

Glänzen dürfen meist die, die auf der Bühne stehen: Gründer:innen mit Erfolgsrunden, Executives mit Top-Kennzahlen, „30 under 30“-Gesichter auf Magazincovern. Und das sind die 1 %, wenn überhaupt.

Für all diese Erfolgsgeschichten gibt es auch Dutzende, die im Background arbeiten: Die, die um 3 Uhr morgens im Homeoffice sitzen und versuchen, ihr Team zu halten. Die, die Ideen einbringen, Strukturen verbessern, mitziehen, aber nie im Spotlight stehen.

Sie sind die Unsichtbaren. Die Unsichtbaren brauchen ein enormes Performance Mindset.

Was ich aus dem Tennis mitgenommen habe, ist mentale Widerstandskraft und was Menschen auch ohne Applaus durchhalten lässt. Daraus ist ein Framework aus drei Säulen für ein gesundes, langfristiges Performance Mindset entstanden.

Selbstführung bedeutet, sich selbst bewusst zu steuern: die eigenen Werte zu kennen, emotionale Reaktionen zu reflektieren und innere Überzeugungen gezielt zu hinterfragen. Wer sich selbst führen kann, entscheidet klarer und handelt kohärenter.

Selbstmanagement beschreibt den bewussten Umgang mit Zeit, Energie und Fokus. Es geht um Priorisierung, Stressregulation, Erholung und Routinen, die nicht auslaugen, sondern stärken. Produktivität entsteht hier nicht durch „mehr“, sondern durch „besser“.

Selbstverantwortung heißt: Verantwortung für Ziele, Rollen und Wirkung übernehmen, ohne Schuldzuweisungen, aber mit Haltung. Dazu gehören Klarheit über Erwartungen, aktives Feedback und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen.

Ein paar meiner Key Learnings während meiner Profizeit waren:

Process > Podest: Es geht nicht immer um den Sieg, sondern um das Dranbleiben. Im Tennis wie im Job: Fortschritt zählt mehr als Pokale.

Tiny Margins, Massive Impact: Kleine Veränderungen machen den Unterschied. 10 Minuten mehr Regeneration im Sport bedeuten weniger Verletzungen. 15 Minuten Deep Work am Morgen bringt einen klareren Fokus und bessere Entscheidungen für das Unternehmen.

Gemeinsam statt einsam: Erfolg entsteht selten im Alleingang. Im Sport habe ich mit anderen Spielerinnen Träume geteilt und unser Team hat sich gegenseitig unterstützt.

Das waren für mich prägende Lektionen fürs Leben. Sie haben mich zu der Person gemacht, die heute hier mit euch spricht.

Ich habe auf der Tennis-Tour oft funktioniert, aber selten wirklich gelebt. Ich war so tief in meinem Ziel verankert, so gefangen in meinem Traum, dass ich alles andere ausgeblendet habe. Freundschaften, Gesundheit und Leichtigkeit hatten keinen Platz. Was ich für Disziplin hielt, war oft bloß Daueranspannung. Was aussah wie Drive, war manchmal einfach nur Überkompensation.

Im Rückblick muss ich sagen: Das grenzte nicht an Performance. Das grenzte an Sucht. Ja, ich hatte diesen inneren Antrieb. Ja, ich wollte mich stetig verbessern. Aber ich habe dabei vergessen, dass echte Leistung Raum zum Atmen braucht. 

Das Ziel ist ein Zustand, der dich motiviert, aber nicht ausbrennt. Der dich fordert, ohne dass du dich verlierst. Ein Zustand, der dich ermutigt, dich selbst zu verwirklichen. 

Denn die beste Leistung entsteht nicht im Kampf gegen dich selbst, sondern im Einklang mit dem, was dich lebendig macht.

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