Den Titel Startup machen sich gern auch Gründungen zu eigen, die nicht innovativ sind oder eine Skalierung in Umsatz oder Headcount erwarten lassen. Mit einem Anteil von 3 %1 nehmen Startups jedoch nur einen geringen Anteil des Gründungsökosystems ein. Das zeigt, wie wichtig Perspektiven verschiedener (Existenz-)Gründer:innen sind. Zu diesen gehört auch Caro Müller. Sie baute mit einfachpr eine Agentur mit sieben Frauen auf und sprach nun mit gründerstudios magazin über diesen Weg.
Als Caro über ihr Studium redet, fällt ein Satz, der schon fast typisch Gründer:in ist: „Mittelhochdeutsche Literatur bereitet mich nicht auf das Leben vor.“ Obwohl sie sich daraufhin gegen einen Master entschied, legte das Studium im Bereich Germanistik und Medienwissenschaft den Grundstein für ihre Gründung.
Nach ersten Gehversuchen in einem PR-Volontariat und als Pressesprecherin in einem Startup für Auswanderer:innen wuchs der Wunsch nach Freiheit. 2017 wagte sie den Schritt mit einem Reiseblog, der ihre Selbstständigkeit ermöglichen sollte. Statt Unabhängigkeit und Selbstständigkeit verdiente sie jedoch „keinen Cent damit und meldete das Gewerbe wieder ab“, sagte sie offen. Sechs bis acht Wochen verbrachte sie damit, ihre „Wunden zu lecken“.
Aber dieser Rückschritt erwies sich als Fortschritt, denn durch den Reiseblog verbrachte sie erstmals mehr Zeit auf Instagram und entdeckte dort, dass kleinere Unternehmen ihr PR-Potenzial ungenutzt lassen. Nach dem Launch eines Online-Kurses meldeten sich Unternehmen, die sie als PR-Freelancerin ins Team holten. Aus einzelnen Aufträgen wurde ein Kund:innenstamm und aus der PR-Freelancerin wurde „Caro mit der PR-Agentur“.
PR braucht einen Perspektivwechsel
Dass Caros Kund:innen auf langfristige Zusammenarbeit mit ihr setzen, liegt auch daran, dass sie selbst schon journalistisch arbeitete und die Perspektive von Medienhäusern einbezieht. Denn zu erfolgreicher Kommunikation gehört, sich in andere hineinzuversetzen.
Gerade in der Pressearbeit sei das essenziell: „Von Unternehmen als kostenloser verlängerter Arm instrumentalisiert zu werden, gehört sicher nicht zu den Dingen, die sich für Journalist:innen gut anfühlen.“ Für sie sollte bei werblicher Kommunikation ganz klar auf bezahlte Anzeigen und Advertorials gesetzt werden und nicht auf PR-Arbeit.
Aber wann ist überhaupt der richtige Zeitpunkt für PR?
„Nicht jeder Launch ist eine Geschichte.“ Laut der Gründerin gibt es drei gute Ansätze für PR: Neuigkeiten, Expertise oder eine starke Geschichte. Manchmal ist die Gründung selbst die Story, manchmal eben nicht.
Caro sieht dabei zwei Extreme: Unternehmen, die spannende Themen haben, diese aber nicht erkennen und solche, die viel zu früh rausgehen mit etwas, das noch niemand interessiert. „Wenn das der Fall ist, sollten Unternehmen offen für andere Themenvorschläge sein.“
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Wir haben uns mit Caro auch über die Wirkung von PR unterhalten. So kann die Ausstrahlung einer Doku im Rundfunk das öffentliche Interesse an der dargestellten Person erhöhen, während eine Ausstrahlung bei Unterhaltungssendungen eher die Kaufbereitschaft anregt. Natürlich spielt dabei auch das Produkt eine Rolle. Berichtet eine Gründerin über ein Produkt des täglichen Bedarfs, denken Käufer:innen erst beim nächsten Kauf an die Marke, während ein Luxusprodukt einen Impulskauf anregt und PR-Arbeit sofort ihre Wirkung zeigt.
Außerdem gelten zum Teil auch andere Regeln. So muss eine Positionierung nicht so spitz sein wie auf LinkedIn. „Eine Nische ist hilfreich, aber es braucht eine vielseitige Kommunikationsstrategie. Unterschiedliche Medien brauchen unterschiedliche Themen.“
Leadership in einem Remote-Team
Heute arbeitet Caro mit einem Team von sieben Frauen* komplett remote, zwei davon in Elternzeit. Das sollte nie ein Statement sein, sondern ist einfach so passiert, „denn der Frauenanteil in der PR- und Marketingbranche ist hoch und zudem habe ich in Teilzeit ausgeschrieben“, sagt sie.
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Die Zusammenarbeit funktioniert durch eine Balance von Struktur und Vertrauen. So helfen kurze Statusmeldungen im Team-Chat, bevor jemand den PC zuklappt und ein regelmäßiger Austausch ohne fachlichen Bezug. Ob jemand zwischen Waschmaschine und Wäschehaufen arbeitet, sei ihr egal, denn „die Ergebnisse müssen kommen – egal ob zuhause oder im Büro.“
Caros Arbeit gibt’s übrigens auch in Buchform: 2022 erschien „Weiblich. Selbstständig. ERFOLGREICH.“ aus Gesprächen mit 28 Unternehmerinnen über ihren Weg und ihre Definition von Erfolg. Caro selbst sagt: „Erfolg ist für mich, wenn ich sagen kann: Das, was ich tue, macht wirklich Sinn.“
Wir bedanken uns bei den Frauen von einfachpr und freuen uns, ihre Reise auch in der Zukunft weiter zu beobachten.
1 startupdetector report 2024/25
*Anmerkung der Redaktion: Das Gender-Sternchen (*) dient als Verweis auf den Konstruktionscharakter von „Geschlecht“. Das Sternchen hinter „Frauen“ soll verdeutlichen, dass es sich auf alle Personen bezieht, die sich unter der Bezeichnung „Frau“ definieren, definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen. Im Hinblick auf Benachteiligung und sexistische Diskriminierung gegenüber Menschen, die sich nicht in der Norm von Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, sehen wir von gründerstudios hier auch unsere Verantwortung gegenüber trans*, inter* und nicht-binären Menschen. Dabei sind wir uns bewusst, dass bereits die Einordnung geschlechtlicher Vielfalt unter dem Begriff „Frauen*“ eine Wiederholung diskriminierender Gewalt ist und somit nicht als Lösung, sondern nur als Prozess verstanden werden kann.
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